Lucid Air Pure
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Lucid Air Pure RWD Test – Der charismatische Stealth-Bomber

Der Lucid Air Pure ist der Beweis, dass man auch in den USA mehr kann als Trucks und Teslas. Denn was da aus Kalifornien über den Atlantik schwebt, ist kein Lautsprecher auf Rädern – sondern eine vollelektrische Limousine mit Stil, Anspruch und beeindruckender Reichweite. Der Air Pure gibt sich leise, fast zurückhaltend. Aber genau das macht ihn zur Ausnahmeerscheinung im zunehmend lauten Premium-Elektro-Zirkus.

Hier geht es nicht um das größte Display, das grellste Licht oder den brutalsten Antritt. Der Lucid Air Pure fährt anders: souverän, fast stoisch – wie jemand, der weiß, dass er gut ist, ohne es jedem auf die Nase binden zu müssen. Kein SUV-Protz, kein Designer-Dekor-Overkill. Stattdessen: klare Linien, feine Technik und ein überraschend emotionales Fahrerlebnis.

Aber reicht eine gute Figur, ein starker Antrieb und eine noble Zurückhaltung im Jahr 2025, um Eindruck zu machen? Und vor allem: Was kann die „Basisversion“ für knapp 100.000 Euro wirklich leisten?
Spoiler: mehr, als man ihr ansieht – aber auch nicht alles. Fahrbericht.

Der Look

Der Lucid Air Pure sieht nicht aus wie ein Elektroauto. Er sieht aus wie ein Raumschiff, das den Verbrennern davonfliegt – ohne dabei kitschig zu wirken. Keine wilden Falten, keine Spoilerexzesse, kein futuristisches Blenderdesign. Sondern: ein Fluss aus Metall, der sich durch den Verkehr zieht wie ein schwarzer Tintenstrahl in Zeitlupe.

Vor allem in Infinite Black Metallic wirkt der Lucid Air Pure wie ein rollender Stealth-Bomber. Tief, flach, kompromisslos elegant. Die schmalen LED-Scheinwerfer ziehen sich wie Lichtschlitze durch die Frontpartie, während die Coupé-Silhouette und die versenkten Türgriffe dafür sorgen, dass der Wind kaum einen Angriffspunkt findet – und der Betrachter erst recht nicht. Alles scheint aus einem Guss. Als wäre der Air eher entworfen als gebaut worden.

Ein Design wie ein Gentleman in Maßanzug – aber mit finsterem Blick. Und der wirkt: Wer mit dem Lucid Air im Rückspiegel auftaucht, bekommt freiwillig Platz gemacht. Kein aggressiver Auftritt, aber ein autoritärer. Premium, das keinen Beweis braucht.

Die 20-Zoll-Felgen, für 2.200 Euro extra, unterstreichen den selbstbewussten Auftritt ohne dick aufzutragen. Sie stehen dem Pure hervorragend – und sind eine der wenigen Möglichkeiten, ihn von außen überhaupt ein wenig zu individualisieren. Der Rest bleibt dezent. Die Linienführung ist klar, fast schon kühl. Aber nie langweilig. Sondern – und das ist die Kunst – auf noble Art unnahbar.

Das Heck trägt ein durchgehendes LED-Lichtband, darunter prangt der Schriftzug LUCID in stolzen Lettern. Als wollte man sagen: „Ihr kennt uns vielleicht noch nicht. Aber das ändert sich.“ Statt Endrohren gibt’s Luft – im doppelten Sinn. Kein Sound, kein Qualm, keine Show. Nur Präsenz.

Kleine Details wie die gravierte C-Säule, der fast unsichtbar eingelassene Ladeanschluss oder das kuppelartige Dach lassen den Pure wie ein Konzeptfahrzeug mit Straßenzulassung wirken. Und das ist genau das, was ihn so spannend macht: Er sieht nicht aus wie etwas, das man schon kennt.

Und innen?

Der Einstieg in den Lucid Air Pure fühlt sich an, als hätte man das Messefahrzeug versehentlich mitgenommen – nur dass hier alles funktioniert. Keine Glasvitrine, kein Ausstellungsstück, sondern Serienrealität mit Future-Flair.

Die Sitze, in feiner Leder-Alternative bezogen, sind angenehm konturiert, bieten auf Wunsch sogar Belüftung und Massage – und machen auch nach mehreren hundert Kilometern noch keine Rückenschmerzen zum Thema. Klar, echtes Leder gibt’s im Pure nicht. Aber was hier verarbeitet wurde, riecht nicht nach Plastik, sondern nach Anspruch. Und fühlt sich auch so an.

Das Cockpit? Ein Panoramablick auf das, was Tesla irgendwann mal sein wollte – nur schöner. Das Display umfließt den Fahrer in drei Teilen, fast wie ein digitales Visier. Instrumente links, Navi und Fahrdaten mittig, Touchfunktionen rechts – alles in Reichweite, nichts überladen. Dazu ein vertikales Zentraldisplay in der Mittelkonsole, das sich auf Wunsch elektrisch wegklappen lässt. Darunter: ein überraschend praktisches Fach. Man könnte fast meinen, Lucid hätte bei der Bedienlogik nicht nur Designer, sondern auch Menschen mit Alltagserfahrung gefragt.

Physische Tasten? Kaum. Aber eine Lautstärkewalze ist noch da – Gott sei Dank. Der Rest läuft über das Touchsystem, das eine gewisse Eingewöhnung braucht. Kein Wunder: Wer sich nicht an Android, BMW oder Mercedes orientiert, sondern einen eigenen Weg geht, verlangt dem Nutzer eben 30 Minuten Trockenübung ab. Danach aber funktioniert alles intuitiv – inklusive Sprachsteuerung und Konnektivität.

Hinten überrascht der Lucid Air Pure mit einem Platzangebot, das man eher aus der Langversion einer S-Klasse kennt. Kein Mitteltunnel, keine Stufe, keine Kompromisse. Zwei Erwachsene reisen hier wie im Business-Class-Abteil. Die elektrisch ausfahrbaren Sonnenrollos für Heck- und Seitenscheiben gehören (im Comfort & Convenience-Paket) zu den Dingen, von denen man nicht wusste, wie angenehm sie sind – bis man sie hat.

Der Materialmix ist durchdacht, nicht protzig. Nichts klappert, nichts wirkt billig. Nur das Soundsystem – in der großen „Surreal Sound Pro“-Ausführung mit 3.500 Euro Aufpreis – spielt nicht ganz in der Liga von Burmester, Bowers & Wilkins oder Bang & Olufsen. Gut? Ja. Überwältigend? Nein. Dafür liefert es – nomen est omen – einen surreal sauberen Raumklang, der vor allem bei langsamen Fahrten zur Geltung kommt.

Beim Kofferraum wird’s dann fast schon poetisch: 627 Liter hinten, 283 Liter vorne – macht (bei ebener Ladefläche) über 1.830 Liter Ladevolumen. Und weil Lucid den gesamten Heckdeckel bis zum Dach öffnet, kann man hier fast aufrecht ein Fahrrad verladen. Oder die eigene Eitelkeit, wenn man sie mitnimmt. Rücksitze umklappen? Geht auch. So viel Praktikabilität traut man dem Design fast nicht zu.

Kurz gesagt: Innen fühlt sich der Lucid Air Pure an wie das Auto, das Apple gebaut hätte – wenn Apple Emotion könnte.

Der Antrieb des Lucid Air Pure RWD

442 PS. 550 Newtonmeter. Heckantrieb. Wer bei diesen Worten reflexhaft an Traktionskontrolle, ESP-Eingriffe und querstehende Elektro-Limousinen denkt – liegt gar nicht so falsch. Der Lucid Air Pure ist das erste (und einzige) Modell der Baureihe, das seine Kraft nur an die Hinterräder schickt. Und das merkt man. Besonders, wenn es draußen nass ist und man den Fahrmodus „Sprint“ wählt – was wir rein aus journalistischer Verantwortung selbstverständlich mehrfach getan haben.

Dann geht’s nicht einfach los, sondern zuckt, reißt und rudert der Air ein wenig, bevor er sich wieder fängt. Kein Kontrollverlust – aber ein klarer Hinweis: „Ich kann auch anders.“ Wer den Strom vorsichtig dosiert, fährt jedoch selbst bei Regen entspannt und sicher – zumal die Fahrhilfen wachsam mitarbeiten.

Bei trockener Straße dagegen: Butter. In 4,7 Sekunden von null auf hundert, lautlos und ohne Drama. Kein Schlag in den Rücken, kein Kreischen – einfach nur: Beschleunigung. Und zwar die sortierte Sorte. Die, bei der man gar nicht merkt, wie schnell man schon ist, bis man auf die Digitalanzeige schaut und denkt: „Ups.“

Das 1-Gang-Getriebe ist – wie bei E-Autos üblich – unsichtbar präsent. Kein Ruck, kein Schaltruckeln, einfach nur: vorwärts. Und zwar linear, direkt und überraschend kultiviert. Der Lucid Air Pure fährt sich fast so sanft wie ein ICE – nur ohne Schienengefühl.

Die Lenkung? Direkt genug, um sportlich zu wirken, aber nicht so nervös, dass man ständig nachkorrigieren muss. Ein schöner Spagat zwischen Präzision und Komfort. Überhaupt ist das Fahrwerk ein kleines Highlight: Angenehm straff, ohne unnachgiebig zu sein. Selbst grobe Querfugen filtert es souverän weg – nur bei richtig schlechten Straßen meldet sich der Unterbau hörbar zu Wort.

In der Stadt ist der Air erstaunlich handzahm. Man gleitet leise dahin, als würde man schweben, und fragt sich, warum andere Premium-Elektros oft wie rollende Panzer wirken. Die Rekuperation lässt sich anpassen, bleibt aber grundsätzlich zurückhaltend – eher ein sanftes Verzögern als ein One-Pedal-Gewaltakt. Bremsen? Kein Problem: Die Bremsanlage ist kräftig, gut dosierbar – und offensichtlich auf stärkere Modelle vorbereitet. Fading? Fehlanzeige.

Auf der Autobahn zeigt der Pure dann, dass 200 km/h durchaus ausreichen können – besonders, wenn es darum geht, entspannt und leise von A nach B zu kommen. Windgeräusche? Kaum. Fahrgeräusche? Minimiert. Reichweitenangst? Kommt nicht auf.

Denn auch hier punktet der Air: Mit den optionalen 20-Zöllern standen in unserem Test 671 Kilometer prognostiziert auf dem Display – real waren es gute 650, wenn man es ruhig angehen ließ. Wer viel Autobahn fährt, landet irgendwo zwischen 300 und 350 Kilometern – ein solider, wenn auch nicht überragender Wert.

Beim Laden zeigt sich der Lucid pragmatisch: 210 kW maximal am Schnelllader, bei uns sogar kurzzeitig 215 kW gemessen. Von 24 auf 76 Prozent in 23 Minuten – keine Weltrekordzeit, aber: praktikabel. Vor allem, weil der Ladevorgang konstant bleibt und nicht nach 30 Sekunden einbricht wie bei manchem Wettbewerber mit Lade-Kurzzeit-Karriere.

Assistenz, Technik & Ausstattung

Wer beim Namen Lucid Air Pure an „pures Fahrvergnügen“ denkt, liegt nicht falsch – sollte aber auch wissen: „Pure“ steht bei Lucid nicht nur für Reduktion auf das Wesentliche, sondern manchmal auch für den Verzicht auf das Bequeme. Zumindest serienmäßig.

Fangen wir mit den Basics an: Natürlich gibt’s ein Digital-Cockpit, ein großes Touchdisplay in der Mittelkonsole und ein modernes Betriebssystem. Letzteres ist nicht von der Stange, sondern ein Eigengewächs – mit all seinen Vor- und kleinen Kinderkrankheiten. Die Darstellung ist gestochen scharf, das Layout durchdacht, aber: ein bisschen Reaktionszeit braucht das System. Wir sind hier also nicht bei iPad-Speed, sondern eher bei „Software-Version 1.0.1“. Updates over-the-air? Ja. Hoffnung auf noch mehr Feinschliff? Ebenfalls ja.

Das Bedienkonzept selbst ist logisch, wirkt aber ungewohnt – weil man nicht einfach aus dem Mercedes-, BMW- oder VW-Kosmos rüberhüpfen kann. Lucid geht hier eigene Wege, und das ist prinzipiell gut. Nur eben nicht sofort intuitiv. Nach einer halben Stunde Eingewöhnung läuft’s aber rund – und man ertappt sich beim Gedanken: „Endlich mal jemand, der nicht alles kopiert.“

Und die Assistenten?

Sind da – und alle ab Werk verbaut. Serienmäßig gibt’s die üblichen Verdächtigen: Notbremsassistent, Spurhaltehilfe, adaptiven Tempomaten. Die funktionieren allesamt unaufgeregt und zuverlässig, lassen aber nicht das Gefühl von „Level-2-Plus“ aufkommen. Will heißen: kein Tesla-Autopilot-Feeling, aber auch kein nerviges Piepskonzert. Zusätzlich gibts einen Querverkehrswarner vorne und hinten, eine 360-Grad-Kamera, Totwinkel-Assistent, eine Verkehrszeichenerkennung und ein Parksystem, das gleichermaßen mit Quer- und Längsparklücken Vorlieb nimmt.

Wer das „Comfort & Convenience Package“ bucht (2.500 Euro), bekommt einen klaren Komfort-Schub: Sitzheizung hintenLenkradheizung, eine 4-Zonen-KlimaautomatikSoft-Close-Türen (!) und elektrische Sonnenrollos hinten. Alles Dinge, die in der 85.000-Euro-Liga eher selbstverständlich wirken sollten – hier aber extra kosten. Nun ja: Man will ja Premium, nicht Mainstream.

Noch ein Aufpreis-Gimmick: das „Surreal Sound Pro“-Soundsystem für 3.500 Euro. Klanglich? Klar überm Durchschnitt. Audiophil? Nicht ganz. Wer bisher Bowers & Wilkins oder Burmester als Referenz hatte, wird hier nicht in Tränen ausbrechen – aber: Der Sound ist sauber, räumlich und satt. Nur eben nicht „Wow!“-mäßig.

Die optionalen 20-fach verstellbaren Vordersitze mit Massage- und Belüftungsfunktion (ebenfalls 3.500 Euro) gehören zu den Dingen, auf die man nach einer Langstreckenfahrt nie wieder verzichten will. Die Massagefunktion ist kräftig, aber nicht übermotiviert – eher ein eleganter Spa-Besuch als Thai-Massage mit Ellenbogen-Einsatz.

Das Kamerasystem?

Göttlich. Kein Scherz. Die 360-Grad-Rundumsicht gehört zu den besten auf dem Markt. Hochauflösend, selbst bei Nacht gestochen scharf – und tatsächlich nützlich, weil der Lucid nach hinten quasi keine Sicht bietet. Das große Dach, die flache Heckscheibe, die breite C-Säule – zusammen ergeben sie: ein echtes Parkplatz-Orakel. Ohne Kameras wäre Rückwärtsfahren eher ein Glücksspiel.

Head-up-Display? Gibt’s nicht. Und das bleibt auch so – laut Lucid aktuell kein Thema. Ein echter Wermutstropfen, vor allem in einem Auto, das sich so futuristisch gibt.

Varianten & Preise des Lucid Air Pure

Lucid Air Pure – klingt wie ein zurückhaltender Einstieg in die Elektroluxuswelt, oder? Eine Art Tesla Model S in Business-Class-Light. Doch schon der Blick auf das Preisschild zeigt: Hier wird nicht in Economy geflogen. Die Basisversion kostet 85.000 Euro – wohlgemerkt ohne Metallic-Lack, Komfort-Paket, Massagesitze oder 20-Zoll-Felgen.

Unser Testwagen? 97.500 Euro. Und das war noch nicht mal die Touring-, geschweige denn die Sapphire-Version. Da fragt man sich: Ist das der neue Minimalismus – oder einfach amerikanisches Premium-Selbstbewusstsein?

Doch der Reihe nach:


🔹 Lucid Air Pure (ab 85.000 €)

  • 442 PS, Heckantrieb
  • 0–100 km/h in 4,7 Sekunden
  • Bis zu 747 km WLTP-Reichweite (mit 19-Zoll-Bereifung)
  • 88-kWh-Akku, 210 kW DC-Ladeleistung
  • Keine Lederausstattung möglich (nur vegane Alternativen)
  • Wenige Konfigurationsmöglichkeiten, Fokus auf Effizienz

Unserer Meinung nach: Die vernünftigste Wahl für alle, die das Konzept Lucid erleben wollen, ohne gleich ein Haus zu beleihen. Und dabei keineswegs untermotorisiert – sondern eher ein Wolf im Designerpelz.


🔹 Lucid Air Touring (ab 99.900 €)

  • 628 PS, Allradantrieb
  • 0–100 km/h in 3,6 Sekunden
  • 794 km Reichweite (WLTP)
  • Mehr Ausstattung, hochwertigere Materialien
  • Immer noch keine Vollausstattung – aber deutlich näher dran

Der Touring ist gewissermaßen das Sweet Spot-Modell. Genug Leistung für ein mildes Schleudertrauma, genug Komfort für Langstrecken, genug Understatement für alle, die nicht dauernd an der Ampel das Duell suchen.


🔹 Lucid Air Grand Touring (ab 129.900 €)

  • 831 PS, Allrad
  • 0–100 km/h in 3,2 Sekunden
  • 882 km WLTP-Reichweite (!)
  • Großzügige Ausstattung
  • Luxusniveau auf Augenhöhe mit Mercedes EQS & BMW i7

Ein technisches Glanzstück. Die Reichweite ist aktuell Benchmark in der E-Oberklasse – aber man bezahlt sie auch. In dieser Version wird der Lucid Air zur echten Alternative für Vielfahrer, Business-Class-Jetsetter und Silicon-Valley-CEOs mit Lade-Angst.


🔹 Lucid Air Sapphire (ab 250.000 €)

  • 1.251 PS, Allrad
  • 0–100 km/h in 2,0 Sekunden
  • 694 km WLTP
  • Sportfahrwerk, Carbon-Extras, Track-Mode etc.
  • Lässt selbst einen Taycan Turbo S plötzlich… bieder wirken.

Der Sapphire ist nicht einfach ein Auto – er ist ein Ereignis. Ein elektrischer Fausthieb. Ein Statement gegen alles, was nicht dreistellig auf dem Preisschild steht. Wer das Budget hat und nicht auf Ferraris oder Porsches fixiert ist, bekommt hier eine der radikalsten E-Limousinen überhaupt.


Fazit zu den Varianten:

Lucid spielt von Anfang an in der Oberklasse – sowohl bei Technik, Design als auch beim Preis. Ein echter Kampfansage an die deutschen Platzhirsche. Besonders der Pure macht als „Einstiegsmodell“ vieles richtig: Er sieht aus wie ein Sechsstelliges, fährt wie ein Sechsstelliges, und klingt dabei leiser als jede Diskussion über Verbrenner-Aus.

Wer mehr Ausstattung und Leistung will, muss (und kann) tief in die Tasche greifen – bekommt dann aber auch ein ziemlich exklusives Paket. Noch fährt einem kein Lucid an jeder Ecke entgegen.

Kundenfeedback

Wer sich nach dem Kauf eines Lucid Air Pure auf der Suche nach Gleichgesinnten in die Kommentarspalten, Reddit-Threads und E-Auto-Foren begibt, stößt auf ein digitales Stimmungsbild irgendwo zwischen Hochglanzbroschüre und Beta-Testphase. Die gute Nachricht: Die Begeisterung für das Fahrzeug überwiegt deutlich. Die schlechte: Ein paar Software-Eskapaden gibt’s gratis dazu.

„Ich dachte, ich mag Autofahren nicht. Aber jetzt nehme ich den Lucid einfach mal zum Spaß.“ – So oder so ähnlich klingt es aus den Mündern der ersten Besitzerinnen und Besitzer, die ihren Air Pure in Empfang genommen haben. Die Übergabe? Wird vielerorts als professionell und freundlich beschrieben, mit dem Gefühl, hier kein Massenprodukt, sondern ein besonderes Stück Technik überreicht zu bekommen. Die Verarbeitung? Nahezu durchgehend positiv. Keine klappernden Verkleidungen, kein billiges Plastik-Aroma, sondern solide gebaute Elektromobilität aus Kalifornien – für viele tatsächlich auf dem Niveau etablierter Oberklassemarken.

Beim Fahrgefühl sind sich fast alle einig: Der Pure fährt sich sanft, ruhig und deutlich entspannter als ein Tesla Model Y oder Mercedes EQE. Der Unterschied sei laut einem Nutzer „wie zwischen Wellness-Oase und Kindergeburtstag“. Das mag daran liegen, dass der Lucid nicht sofort mit digitalem Kirmes-Gebimmel um sich wirft, sondern seine Qualitäten dezent und souverän offenbart. Die Sitze – bequem. Die Federung – komfortabel. Die Geräuschkulisse – auf Flüsterniveau. Vor allem bei langen Strecken scheint der Air seine Stärke zu entfalten. Kein Wunder bei über 650 Kilometern realistischer Reichweite – sofern man die Autobahn links liegen lässt.

Aber nicht alles ist Champagne & Softclose: Die Software, obwohl grundsätzlich modern und flüssig, hat sich bei einigen Nutzer:innen als charmant launisch erwiesen. Die Rede ist von nicht speichernden Fahrmodi, mal trägen Mobile-Keys oder von Rundumsichtkameras, die gelegentlich in Pixel-Nostalgie verfallen. Doch statt Wutstürme regiert in der Community oft milde Ironie. Man sei sich bewusst, dass Lucid eben noch kein Volkswagen sei – zum Glück, sagen manche, aber mit gewissen Risiken. Immerhin: Updates „over the air“ sind Standard, und einige der Bugs wurden bereits per Software-Flick behoben.

Ein anderer Punkt: die Ladeperformance. Während einige Fahrer Ladeleistungen von über 200 kW sehen – und das bei konstant gutem Temperaturmanagement –, berichten andere von deutlichen Schwankungen an der Schnellladesäule, selbst mit Vorkonditionierung. Ob das an der Ladeinfrastruktur, der Software oder an der Mondphase liegt, bleibt offen. Fakt ist: Wer mit einem Lucid unterwegs ist, sollte die Säulenwahl überlegt treffen – und nicht ganz auf Wunder hoffen.

Und dann ist da noch der Innenraum. Ein User bringt es auf den Punkt: „Ich bin 1,93 m groß und sitze hinten bequem – das ist bei deutschen E-Limousinen alles andere als selbstverständlich.“ Auch die cleveren Details wie elektrisch betriebene Sonnenrollos oder der riesige Kofferraumdeckel, der fast wie ein Space Shuttle aufklappt, werden oft gelobt. Das Gesamtpaket wird als durchdacht, luxuriös und absolut alltagstauglich empfunden. Es wirkt ein wenig so, als hätte man bei Lucid gefragt: Was fehlt bei den anderen – und wie machen wir’s besser?

Natürlich gibt es auch konstruktive Kritik: Einige Early Adopters berichten von kleineren Verarbeitungsmängeln – etwa ein leicht eingerissener Sitzbezug oder ein unsauber verklebter Zierstreifen. Aber niemand erwartet hier Perfektion – eher Charakter.

Unterm Strich liest sich das Kundenfeedback wie eine Hommage an mutige Ingenieurskunst, die sich traut, neue Wege zu gehen – mit Stil, Anspruch und einer Portion Start-up-Spirit. Der Lucid Air Pure ist für viele kein Auto, sondern ein Statement. Und wer bereit ist, beim Infotainment mal ein Auge zuzudrücken, bekommt ein Fahrzeug, das das Zeug dazu hat, echte Fans zu schaffen – nicht nur Käufer.

Service & Infrastruktur – Und plötzlich ist da ein Plan

Der Lucid Air Pure mag zwar wirken wie frisch aus einem Designlabor für Zukunftsfahrzeuge – doch wer denkt, dass der Service drumherum noch in der Garage improvisiert wird, irrt sich. Denn: Lucid hat offenbar verstanden, dass man in Europa nicht nur mit Reichweite, sondern auch mit Verlässlichkeit punkten muss. Und liefert inzwischen ein überraschend rundes Servicepaket.

Vier Studios, viele Optionen

Zugegeben, ein Händlernetz im klassischen Sinn sucht man weiterhin vergeblich – dafür betreibt Lucid inzwischen vier eigene Studios in DeutschlandMünchen, Frankfurt, Düsseldorf und Hamburg. Die Standorte sind stilvoll inszenierte Markenräume und fungieren als Showroom, Beratungszentrale und Ort für Probefahrten. Wer mag, konfiguriert dort sein Fahrzeug live – oder eben digital vom Sofa aus. Beides funktioniert.

Werkstatt? Kommt vorbei – wirklich

Besonders clever: Lucid setzt zusätzlich auf sogenannte Mobile Werkstätten – voll ausgerüstete Service-Vans, die fast in ganz Deutschland – vermehrt aber im Raum West- und Süddeutschland sowie im Hamburger Raum operieren. Sie übernehmen turnusmäßige Wartungen, kleinere Reparaturen und Erstdiagnosen direkt beim Kunden vor Ort. Das spart Zeit, Nerven und den Weg zur nächsten Werkstatt – ein Angebot, das selbst etablierte Premiumhersteller alt aussehen lässt.

Größere Reparaturen oder Karosseriearbeiten? Dafür gibt es ein Netz an Body Shops, also speziell geschulte Karosserie-Partner, die auch anspruchsvolle Arbeiten übernehmen. Ergänzt wird das Ganze durch ein Field Service Engineering Team – eine Art technisches SWAT-Team aus speziell ausgebildeten Experten, das im Bedarfsfall europaweit verfügbar ist. Für Notfälle steht zudem ein 24/7-Pannendienst inklusive Ersatzfahrzeug bereit. Klingt nach Tesla? Vielleicht. Funktioniert aber anders: transparenter, persönlicher – und (noch) mit echter Handschrift.

Einmal im Jahr, bitte

Jeder Lucid muss einmal pro Jahr zum Service, ganz klassisch. Die gute Nachricht: Durch den minimalistischen Aufbau des E-Antriebs halten sich die Wartungskosten in Grenzen. Und was die Sorgen um Garantien betrifft: 4 Jahre bzw. 80.000 Kilometer Fahrzeuggarantie8 Jahre bzw. 160.000 Kilometer auf Akku und Antriebseinheit – das ist Klassenstandard, wenn nicht sogar besser als bei manchem europäischen Traditionshaus.

Laden? Offen für (fast) alles

Bei der Ladeinfrastruktur zeigt sich Lucid erfreulich offen: CCS-Anschluss, PlugSurfing-Kooperation und Schnellladefähigkeit mit bis zu 210 kW machen das Reisen mit dem Air Pure einfach. Ob Ionity, EnBW, Fastned oder Stadtwerke-Standard – der Lucid lädt überall dort, wo Strom fließt. In unserem Test klappte das auch zuverlässig, wenn auch nicht immer mit Maximalleistung über die komplette Dauer. Immerhin: Eine eigene Lucid-App hilft bei der Navigation zu den nächstgelegenen Säulen.

Fazit zum Lucid Air Pure RWD

Der Lucid Air Pure ist so etwas wie der sympathische Quereinsteiger auf dem Klassentreffen der automobilen Oberklasse. Während Audi, BMW und Mercedes ihre jahrzehntelange Premium-DNA zur Schau stellen wie Monogramme auf Kaschmirschals, kommt Lucid in den Raum, sagt erstmal nichts – und lässt das Design, die Technik und das völlig lautlose Anrollen für sich sprechen. Spoiler: Das reicht. Und wie.

Denn was der Air Pure leistet, ist beeindruckend. Er bietet ein futuristisches, aerodynamisches Design, das selbst einem Porsche Taycan die Coolness-Krone streitig macht, einen Innenraum, der wie ein fahrbares Architekturmagazin wirkt, und dazu eine Reichweite, bei der so mancher Tesla-Fahrer nervös auf sein Display schielt. 654 Kilometer im Test – ohne sich dabei komplett einzuschränken? Das ist mehr als ein Achtungserfolg.

Doch der Lucid Air Pure ist kein Blender. Kein Showcar, das beim ersten Bordstein seine Würde verliert. Er fährt sich souverän, komfortabel und mit genau der Prise Fahrdynamik, die man von einem 442-PS-Elektrogleiter erwartet – nicht mehr, nicht weniger. Nur bei Nässe wird’s kurz wild, aber auch das hat seinen Charme. Wer keinen Allradantrieb braucht und Wert auf Stil, Ruhe und Reichweite legt, wird hier glücklich – sofern man in der Nähe eines Lucid-Studios wohnt. Oder bereit ist, Pionierarbeit zu leisten.

Denn ja, Lucid ist noch jung in Europa. Der Service steckt in den Kinderschuhen, das Händlernetz ist noch überschaubar, und das Markenbewusstsein in der Bevölkerung? Eher bei null. Aber vielleicht ist genau das der Reiz. Ein Auto für Leute, die nicht das fahren wollen, was schon der Nachbar fährt. Für Menschen, denen Audi A6 zu vorhersehbar, ein Model S zu langweilig und ein Taycan zu verbreitet ist.

Preislich? Mit 97.500 Euro testwagenfertig nicht günstig, aber gemessen an Reichweite, Platzangebot, Technik und Coolness-Faktor überraschend fair. Zumal die Konkurrenz ähnlich tief in die Tasche greift – aber oft weniger Emotion bietet.

Der Lucid Air Pure ist kein Statussymbol im klassischen Sinn, sondern ein Statement. Eines, das sagt: „Ich habe keine Lust auf Kompromisse – aber auch keine Lust auf Arroganz.“ Und das ist im automobilen Oberhaus, das sonst so gerne in seiner eigenen Wichtigkeit badet, eine verdammt erfrischende Ansage.

Konkurrenzmodelle

Der Lucid Air Pure hat ein klares Ziel: der Erste zu sein, der der deutschen (und kalifornischen) Premium-Elite ernsthaft den Wind aus den elektrisch angetriebenen Segeln nimmt. Und das gelingt ihm erstaunlich souverän – auch weil die Konkurrenz in Teilen entweder zu laut, zu zahm oder zu teuer daherkommt. Wer also steht dem Air wirklich im Weg?

Tesla Model S – das Original mit Softwarekomplex

Ab 109.990 Euro, 670 PS, knapp 650 Kilometer Reichweite – das Tesla Model S ist rein technisch immer noch ein beeindruckendes Statement. Doch das einst so revolutionäre E-Flaggschiff aus Fremont wirkt mittlerweile etwas angestaubt – wie ein ehemaliger Rockstar, der immer noch auf seinen einen großen Hit setzt. Die Bedienung ist, diplomatisch gesagt, gewöhnungsbedürftig, die Verarbeitung bleibt ein Glücksspiel, und die Optik? Weiterhin futuristisch, aber eben im Stil von „Minority Report“ – nicht „2025“. Wer Software-Updates mehr liebt als solide Schalter, wird glücklich. Alle anderen schauen sich bei Lucid um.

Mercedes EQE – Effizienz auf Rezept

Mit dem EQE 300 startet die elektrische Businessklasse von Mercedes bereits bei 67.187 Euro – allerdings auch mit eher überschaubaren 265 PS. Wer mit dem EQE 500 (449 PS) etwas näher an die Lucid-Welt heranrücken will, zahlt mindestens 84.763 Euro. Dafür gibt’s ein Interieur zum Verlieben, ein Fahrgefühl zum Entspannen und eine Marke, die für Vertrauen steht. Was fehlt? Charisma. Der EQE ist ein elektrischer Mercedes auf Autopilot, aber eben keiner, der Herzklopfen erzeugt. Eher: gleichmäßigen Puls. Funktional, solide, aber alles andere als aufregend.

BMW i5 – Dienstwagen mit Stil

Der BMW i5 eDrive40 geht bei 70.200 Euro los, bietet 340 PS und typisch bayrische Fahrfreude. Wer mehr will (und Allrad), greift zum xDrive40 (394 PS) ab 75.600 Euro oder gleich zum M60 xDrive (601 PS) ab 99.500 Euro. Der i5 fährt sich sportlich, präzise und für ein E-Auto fast schon analog – eine kleine Meisterleistung. Doch auch hier fehlt das gewisse Etwas: Das Design bleibt konservativ, der Innenraum hochwertig, aber vorhersehbar. Wer Understatement mit Premium will, wird glücklich. Wer allerdings etwas „Wow!“ für den Alltag sucht, schaut eher in Richtung Kalifornien.

Porsche Taycan – Spannung statt Raum

Der Porsche Taycan startet bei 102.600 Euro und bringt 408 PS auf die Straße – oder besser: auf die Ideallinie. Denn genau da fühlt sich der Taycan zuhause. Der Lucid Air Pure hingegen auf der linken Autobahnspur – leise, souverän, langstreckentauglich. Der Taycan begeistert mit seiner Direktheit, seinem sportlichen Charakter und seiner Bremsleistung – doch beim Thema Komfort und Reichweite spielt er in einer anderen Liga. Einer kleineren. Der Fond ist eng, das Kofferraumvolumen übersichtlich und wer viel fährt, wird öfter laden als genießen. Wer Kurven sucht, nimmt den Porsche. Wer Kraft trifft Komfort sucht, fährt Lucid.

Audi e-tron GT – Posterboy mit Platzschwäche

108.900 Euro für den Einstieg, 503 PS und eine Optik zum Niederknien – der Audi e-tron GT ist der Showstar unter den deutschen E-Limousinen. Basierend auf der Taycan-Plattform, aber etwas komfortabler abgestimmt, bietet er starke Fahrleistungen, solide Audi-Verarbeitung und viel Markenprestige. Doch auch hier zeigt sich: Platz ist Mangelware, vor allem hinten. Und die Reichweite liegt mit bis zu 598 km WLTP spürbar unter dem Lucid. Vor allem: Für rund 11.000 Euro weniger bekommt man beim Air Pure mehr Platz, mehr Reichweite und ein Fahrzeug, das wirkt, als käme es direkt aus der Zukunft – und nicht nur vom Audi-Zubehörkatalog in den Windkanal.

Lucid gegen den Rest der Welt?

Der Lucid Air Pure ist kein lauter Herausforderer, sondern ein smarter Taktiker. Er beobachtet, analysiert – und positioniert sich genau dort, wo andere noch Marktlücken lassen. Zwischen emotionalem Auftritt, hoher Alltagstauglichkeit und beeindruckender Effizienz. Die deutsche Konkurrenz bietet vertraute Qualität, keine Frage – doch oft auch: vorhersehbare Formeln. Lucid liefert Visionen in Serie. Und das spürt man – ab dem ersten Meter.

Text / Fotos: NEU!

Kamera: Canon EOS 6D

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