115 Jahre Alfa Romeo
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115 Jahre Alfa Romeo – Mythos zwischen Stromschlag & Schaltwippe

Pferdsfeld, irgendwo zwischen Flugplatzromantik und Teststrecken-Flair. Alfa Romeo lädt zum „Giornata dell’Alfa Romeo“, einem exklusiven Vorevent zum Pista & Piloti, und feiert: 115 Jahre bewegte Geschichte. Das klingt erst mal wie ein Rückblick. In Wahrheit war es ein Charaktertest. Für die Marke. Für ihre DNA. Und für all jene, die immer noch hoffen, dass Emotion in Zeiten von E-Motoren und Fahrassistenzsystemen überlebt. Die gute Nachricht: Sie lebt. Die schlechtere? Nicht überall.

Wir haben uns auf die Reise begeben und gleich zwei Alfa-Modelle unter die Lupe genommen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Und dennoch ein paar Gemeinsamkeiten haben. Erleben Sie mit uns eine kleine Reise, die 115 Jahre Alfa Romeo im Kompaktformat zusammenfasst. Ein Faszinationsbericht.

115 Jahre Alfa Romeo – Mythos meets Moderne

Alfa Romeo. Allein der Name klingt nach Geschichte, nach Mille Miglia, nach Enzo Ferrari, der hier seine Wurzeln schlug. Nach ikonischem Design, nach einer Zeit, als Fahrzeuge noch Seele hatten und keine Software-Updates.

Das Event selbst? Gut inszeniert. Die Timeline entlang des Testgeländes erinnerte an die wichtigsten Kapitel der Markenhistorie – vom A.L.F.A. 24 HP über den Tipo 33 Stradale bis zur heutigen Giulia. Präsentationen, Anekdoten, Motorengeräusche. Alles dabei. Und doch bleibt eine Frage hängen: Wie viel davon ist Substanz – und wie viel romantisierte Erinnerung?

Denn während man 115 Jahre Alfa Romeo feiert, drängt sich leise der Gedanke auf: Wo geht’s denn jetzt hin? Die Antwort liegt irgendwo zwischen Ladeport und Leistungsdaten – und heißt unter anderem: Junior Elettrica.

Testfahrt mit dem Alfa Romeo Junior Elettrica – Understatement oder Unterforderung?

Man kann es drehen, wie man will: Der Alfa Romeo Junior Elettrica ist ein solides Elektroauto. Punkt. Aber ist er auch ein Alfa Romeo?

Die Basisversion mit 156 PS, Frontantrieb und soft abgestimmtem Fahrwerk fährt sich exakt so, wie sie es laut Datenblatt soll: unaufgeregt. Die Beschleunigung (0–100 km/h in 9 Sekunden) ist eher urban entspannt als sportlich ambitioniert. Und mit 150 km/h Topspeed wird man auf der linken Spur der Autobahn zwar nicht zum Enzo, aber auch nicht zum passiv-aggressiven Grußobjekt.

Zugegeben, das klingt härter, als es gemeint ist. Denn der Junior ist kein Blender. Seine Lenkung ist markentypisch direkt, das Design unverkennbar italienisch, die Verarbeitung solide, das optionale Glasdach ein echtes Highlight. Und das Rosso Brera? Ein Gedicht in Rot. Aber wer sich „Junior“ nennt und aus dem Hause Alfa Romeo stammt, darf schon ein bisschen mehr Pfeffer im Antriebsstrang haben – oder wenigstens die Illusion davon. Und die gibt es auch. Sie hört auf den Namen „Veloce„, offeriert 280 PS, 345 Newtonmeter und rennt 200 Sachen schnell. Dazu kommt ein Fahrwerk, von dessen Verbindlichkeit wir uns bereits im Erstkontakt überzeugen konnten.

Alfa hat sich hier bewusst breit aufgestellt. Denn neben den beiden Elektroversionen „Elettrica“ und „Veloce„gibt es noch zwei Hybride. Sie hören auf die Namen „Ibrida“ und „Ibrida Q4“ und bieten vor allem Elektromuffeln eine valide Alternative mit Verbrenner – und auf Wunsch auch mit Allradantrieb. Aus Sicht der Redaktion ist diese Bandbreite gut gewählt, vor allem, da man bewusst auf PHEV-Versionen verzichtet und diese Klientel dem Tonale überlässt.

Zurück zu unserem Testfahrzeug. Preislich beginnt der Elettrica bei 41.500 Euro, die getestete Version kratzt an der 46.000-Euro-Marke. Für ein Fahrzeug, das sich Plattform und E-Motor mit Peugeot & Co. teilt, ist das kein Schnäppchen. Aber dafür gibt’s eben: Stil. Und ein bisschen Mythos. Und eine wirklich solide Ausstattung, die kaum Wünsche offen lässt.

Testfahrt mit dem Alfa Romeo 4C Spider – Erinnerungen in Carbon gegossen

Und dann kommt er. Der Kontrast. Der Aufwecker. Der Alfa Romeo 4C Spider, Sondermodell Italia, Baujahr 2018, mit dem Design eines kleinen Ferrari und der Rücksichtslosigkeit eines italienischen Verkehrsministers.

240 PS, 1.000 Kilo, Mittelmotor, kein Servo, Carbon-Chassis. Der 4C ist ein Auto, das nichts verzeiht – und gerade deshalb alles richtig macht. Es rappelt, es brüllt, es zickt. Und man liebt es dafür. Der Sound übertönt quasi permanent das (ebenfalls nicht schlechte) Alpine-Radio, das Getriebe klackt, die Lenkung fordert. Und wer sich hier über mangelnden Komfort beschwert, hat das Konzept einfach nicht verstanden.

Der 4C Spider fährt nicht. Er feiert. Dich, den Moment – und sich selbst. Und genau das ist der Punkt: Hier lebt der Mythos. Nicht als Marketingidee, sondern als Fahrgefühl.

Damals kostete das Vergnügen knapp 78.500 Euro. Heute? Quasi unbezahlbar. Wer ihn hat, nimmt ihn mit ins Grab. Die Tatsache, dass nur gut 100 Stück dieser „Spider Italia“-Variante gebaut wurden, macht ihn nicht besser. Nur begehrenswerter.

Die Modellpalette 2025 – Klarer, aber auch kühler

Im Vergleich zum emotional aufgeladenen 4C wirkt die aktuelle Modellpalette beinahe nüchtern:

  • Giulia: läuft weiter, bleibt Verbrenner, bleibt Charaktertyp.
  • Stelvio: bekommt demnächst ein Update – wie viel davon Substanz ist, bleibt abzuwarten.
  • Tonale: Facelift kommt, um die Lücke zum Stelvio zu schließen.
  • Junior: elektrischer Einstieg, dazu zwei Hybridvarianten. Logisch. Aber nicht legendär.

Klar: Die Zeiten ändern sich. Alfa kann sich keine Exzesse mehr leisten wie früher. Aber die Gefahr dabei ist klar: Wenn der Charakter dem Konzernkompromiss geopfert wird, bleibt von der Ikone nur das Logo.

Quadrifoglio – Was bleibt vom Kleeblatt?

Immerhin: Das Kleeblatt weht weiter im Wind. Quadrifoglio bleibt, wurde von Alfa bestätigt – wenn auch vorsichtig formuliert. Was das heißt? Wahrscheinlich: weniger Zylinder, mehr Assistenzsysteme, dafür elektrische Unterstützung. Ob das reicht, um das Erbe der Sechszylinder-Giulia zu bewahren, bleibt offen. Doch zwischen den Zeilen klang durch: Man will nicht loslassen. Nicht vom Motor. Nicht vom Mythos.

Ein Hoffnungsschimmer für alle, die beim Wort „Elektro-Alfa“ noch immer nervös nach dem Zündschlüssel tasten. Zudem gehen wir davon aus, dass aufgrund der großen Nachfrage nach den aktuellen Quadrifoglio-Modellen zumindest die Modelle Giulia und Stelvio auch weiterhin mit potentem Verbrenner unterwegs sein werden. Zumindest noch für ein Facelift oder eine weitere Generation.

Fazit – Zwischen Emotion und Excel-Tabelle

Das Event in Pferdsfeld war eine gelungene Hommage – und ein ehrliches Unterfangen, die Marke neu zu positionieren, ohne ihre Seele zu verlieren. Alfa Romeo 2025 wirkt klarer, fokussierter – aber auch vorsichtiger. Die Elektromobilität ist da. Das Racing-Gen auch. Nur: Sie begegnen sich bisher selten auf Augenhöhe.

Der Junior Elettrica ist ein wichtiges Statement – aber kein besonders emotionales. Der 4C Spider ist ein Relikt – aber eines, das zeigt, wie Alfa sich anfühlen kann, wenn niemand reinredet.

Und dennoch gibt es sie, die hochgradig potenten Quadrifoglio-Modelle von Giulia und Stelvio. Vielleicht ist das das neue Alfa Romeo: Ein Tanz auf der Rasierklinge zwischen Aufbruch und Erinnerung. Und vielleicht ist das genau richtig so. Denn am Ende geht es nicht darum, ob Alfa perfekt ist. Es geht darum, dass es niemand anderes ist.

Text: NEU!

Fotos: NEU! / Alfa Romeo

Kamera: Canon EOS 6D

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