Lang ist es her, als im Jahr 1966 der Lamborghini Miura das Licht der Welt erblickte. Ein V12-Mittelmotor-Sportler mit 350 PS war in der damaligen Zeit eine echte Kampfansage. Fast 50 Jahre und einige Modelle später dürfen wir den überarbeiteten Aventador S vorstellen, dessen sechseinhalb Liter großer Sauger-V12 es mittlerweile auf 740 PS bringt. Zahlen, die schon auf den ersten Blick beeindrucken, jedoch nicht mal ansatzweise das vermitteln können, was dieser Kampfstier in der Lage ist, zu leisten. Zeit für einen ausgiebigen Fahrbericht zum Lamborghini Aventador S Roadster.
Der Look des Lamborghini Aventador S Roadster
Die bloße Optik des Aventador S schüchtert im wahrsten Sinne des Wortes ein. Irgendwo zwischen Spaceshuttle und Tarnkappenbomber angesiedelt, liegt der gerade mal 1,14 Meter flache Lambo so tief auf dem Asphalt, dass man meinen könnte, er würde die Straße förmlich aufsaugen wollen.
Die Front läuft nach vorn hin spitz zu und ist geprägt von großen Lufteinlässen und flach integrierten Scheinwerfern mit markanter Lichtsignatur. Noch beeindruckender ist die Seitenansicht, der er den redaktionsinternen Spitznamen „Donnerkeil“ verdankt.
Am Heck wartet der Italo-Roadster mit einem massiv gestalteten Diffusor und einem Trio an Endrohren auf, das schon im Stand satten Sound verspricht. Die Heckleuchten greifen die Signatur des Tagfahrlichts auf und erinnern nebenbei bemerkt an den legendären Lamborghini Reventón, der seinerzeit als limitierter Vorläufer des Aventador galt.
Wirklich beeindruckend: Optional bietet Lamborghini seinen Kunden eine transparente Motorhaube aus geschliffenem Glas an. Dann lässt sich die „Bella Macchina“ auch ohne geöffnete Haube bestaunen. Dieses Wunderwerk gleicht einer echten Show und selbst Nicht-Petrol-Heads werden für einen kurzen Moment in Verzückung versetzt.
Unser Testwagen trägt die Farbe „Grigio Asteria“ – eine Lackierung aus dem sogenannten Ad Personam Programm. Dieses bietet den Kunden eine breite Auswahl an Lackfarben und Interieurgestaltungen für bestmögliche Individualisierung an.
Generell strotzt der Aventador S nur so vor Ecken, Kanten und Sicken und trägt seine Marken-DNA wie ein Aushängeschild vor sich her. Die Designer haben weder Lichtsignatur noch Tankklappe ausgelassen und so stellen wir mit Freude fest, dass dieser Supersportler ein wahres Mekka für Freunde martialischer Ästhetik ist.
Der Innenraum des V12-Boliden
Im Inneren des V12-Boliden geht es derweil rassig weiter. Straff gepolsterte Sitze – natürlich nur zwei – offerieren besten Seitenhalt, während der Fahrer seinen Blick auf ein volldigitales Cockpit wirft. Im Videospiel-Stil gibt die grafische Darstellung Aufschluss über die relevantesten Parameter wie Drehzahl, Geschwindigkeit und eingelegtem Gang. Die Innenraumfarbe – Rosso Alala genannt – wirkt in echt übrigens noch cooler als auf Bildern und stammt ebenfalls aus der bereits erwähnten Ad Personam Abteilung.
Als größtes Manko darf das in die Jahre gekommene Infotainment angesehen werden. Das aus dem Audi-Regal entnommene Navi ist zwar von Carbon umrahmt, die Rechenleistung ist allerdings recht mager und die Funktionen im Vergleich zur Konkurrenz nicht allzu üppig. Dafür gibt es ein Soundsystem aus dem Hause Sensonum, welches den Innenraum des Roadsters angemessen zu beschallen weiß.
Ziemlich speziell ist im Übrigen die Dachkonstruktion des Aventador S Roadster. Während die Konkurrenz vollelektrische Verdecke anbietet, muss man hier noch richtig Hand anlegen. Zugunsten des Gewichts und der Verwindungssteifigkeit haben die Italiener ihrem V12-Boliden zwei herausnehmbare Dachhälften verpasst, die im Fahrzeugbug verstaut werden können. Das sollte man jedoch im Vorfeld ein, zweimal probiert haben, sonst könnte der coole Auftritt vor der Eisdiele schnell in die Hose gehen. Einmal erlernt, dauert dieser Prozess jedoch keine zwei Minuten mehr.
Übrigens: Es gibt im Aventador S Roadster keine Getränkehalter. Und generell sollte die Zuladung im Vorfeld gut überlegt sein. Mit 140 Litern Kofferraumvolumen ist das Gepäckabteil arg begrenzt und wenn dann auch noch die beiden Dachhälften verstaut werden müssen, passen lediglich noch ein, zwei Jacken in den Bug. Auch hier zeigt sich wieder einmal der eigentliche Verwendungszweck eines solchen Boliden. Lange Wochenendtrips mit viel Equipment sind es schon mal nicht.
Der Antrieb des Lamborghini Aventador S Roadster
Das wohl wichtigste Kapitel in diesem Bericht befasst sich mit den Fahreigenschaften dieses Fahrzeugs. Noch einmal zum Mitschreiben: Hier wütet ein frei atmender, 6,5 Liter großer V12 mit 740 PS und 690 Newtonmetern. Den Sprint auf 100 km/h schafft der Kampfstier in glatt drei Sekunden, 350 Sachen sind maximal drin.
Stadt
In der City spürt man davon nur bedingt etwas. Die ersten Meter vergehen erstaunlich unbeschwert, wobei man das nicht allzu wörtlich nehmen darf. Die Sitzposition ist ultra tief und die Rundumsicht – jedenfalls bei geschlossenem Dach – extrem eingeschränkt. Hier helfen die Parksensoren vorne und hinten sowie die Rückfahrkamera enorm. Auch ist das Liftsystem für den Vorderwagen eher Pflicht als Kür, besonders dann, wenn das Fahrzeug regelmäßig in Parkgaragen abgestellt wird.
Sehr angenehm ist die im S-Modell neu eingeführte Allradlenkung. So lässt sich der breite Stier erheblich einfacher in Parklücken manövrieren. Besonders spannend ist der Umstand, dass dieses Fahrzeug sich für einen – eigentlich für mehrere, aber besonders für diesen einen – Zweck so gar nicht eignet: Flanieren. So gut er auch auf den Boulevards dieser Welt aussieht, so deplatziert fühlt sich dieser Kampfstier in solchen Milieus. Er bockt und ruckt und die ISR-Automatik braucht gefühlt aus Trotz derart lange zum Schalten, dass man währenddessen noch schnell die Cruise Collection bei Brunello Cucinelli shoppen kann. Spaß beiseite. Ergo: Flanieren ist nicht seins!
Land
Auf der Landstraße zeigt der Aventador S nach kurzer Rehabilitation so langsam sein eigentliches Wesen. Tief und dunkel, grollend und laut erstarkt der Zwölfender mit zunehmender Drehzahl und langsam, aber sicher zieht ein Sturm auf, der nichts Gutes verheißt. Die Kurven räubert der V12-Bolide fast spielerisch, das Fahrwerk bietet eine nahezu perfekte Abstimmung und nur im äußersten Grenzbereich macht sich das doch recht hohe Gewicht bemerkbar, wodurch sein kleiner Bruder, der Huracán, wohl an dieser Stelle einen kleinen Wettbewerbsvorteil haben dürfte.
Neu im Aventador S ist der sogenannte EGO-Modus. Ein Name, der auch als Statement verstanden werden darf. Im Grunde handelt es sich hier um einen Fahrmodus, über den alle relevanten Parameter nach persönlichem Gusto justiert werden können.
Autobahn
Genug der technischen Weisheiten. Auf der Autobahn lassen wir den wilden Stier von der Leine und was dann passiert, ist kaum in Worte zu fassen. Der Tritt aufs Gaspedal entfacht eine Urgewalt, die kaum zu bändigen ist und so scharrt der Italiener für den Bruchteil einer Sekunde mit allen Vieren, um dann seine gesamte Leistung ohne Verluste in Vortrieb umzuwandeln.
Fahrer und Beifahrer verharren subjektiv noch immer in Schockstarre, während die 200-km/h-Marke längst schon passiert ist. Doch noch geht es weiter. Vehement und mit Brachialgewalt lässt der Mittelmotor-Supersportler auch die 300 Sachen brüllend hinter sich und erreicht fast spielerisch 338 km/h. Ab dort an kann man die Zunahme der Stundenkilometer wenigstens schrittweise verfolgen, laut Tacho sind maximal 354 Stundenkilometer möglich.
Sie fragen sich, wie sich dieses Tempo in diesem Auto anfühlt? Ein wenig surreal und in jedem Fall berauschend. Wenngleich höchste Konzentration vom Fahrer abverlangt wird, scheint der Aventador S stets alles unter Kontrolle zu haben, wirkt hier viel ausgeglichener und ruhiger als bei niedrigen Geschwindigkeiten.
Sein Facettenreichtum ist somit eher einer Maskerade gleichzusetzen, die für sich genommen nur einen Schluss zulässt: Gehorsam und Performance standen im Pflichtenheft des Aventador S ganz oben. Als Roadster kommt zudem der pure Genuss hinzu. Sonnenanbeter erleben dies noch einmal intensiver. Im Innenraum bleibt es selbst bei über 250 km/h erstaunlich windstill, Abstriche in puncto Fahreigenschaften müssen derweil keine gemacht werden.
Wenngleich dieses Kapitel hier nicht die größte Relevanz genießt, sprechen wir es trotzdem an: Im Test flossen rund 16 Liter Super durch die Leitungen.
Fazit zum Lamborghini Aventador S Roadster
Der Lamborghini Aventador S Roadster erwies sich im Test als kompromissloser Supersportwagen, dessen Charakter ungezähmt und wild ist. Als Roadster richtet er sich an eine schmale Klientel, die neben dem nötigen Kleingeld auch einen Faible für martialische Ästhetik und kaum zähmbare Urgewalten mitbringt.
In den richtigen Händen generiert der V12-Bolide neben jeder Menge Fahrspaß auch eine außergewöhnlich hohe Performance, die durch den exzellenten Allradantrieb noch eine nicht unwichtige Sicherheitskomponente mitbringt.
Ein Auto zum Träumen ist der Lamborghini Aventador S Roadster in jedem Fall. Eine rollende Legende sowieso.
Technische Daten des Lamborghini Aventador S Roadster
Modell | Lamborghini Aventador S Roadster |
Länge x Breite x Höhe (m) | 4,80 x 2,03 x 1,14 |
Radstand (mm) | 2.700 |
Motor | Zwölfzylinder-V-Motor |
Hubraum (ccm) | 6.498 |
Leistung (kW / PS) | 544 / 740 |
Drehmoment (Nm) | 690 |
Getriebe | 7-Gang-ISR-Getriebe |
Antrieb | Allradantrieb |
Kraftstoffart | Super E10 |
Durchschnittsverbrauch (WLTP in Liter) | 16,9 |
Durchschnittsverbrauch (NEU! in Liter) | 16,2 |
CO²-Ausstoß (nach WLTP in g/km) | 394 |
Abgasnorm | Euro 6d-Temp |
0 auf 100 km/h (in Sekunden) | 3,0 |
Höchstgeschwindigkeit (km/h) | 350 |
Leergewicht (kg) | 1.625 |
Kofferraumvolumen (l) | 140 |
Farbe | Grigio Asteria (Grau) |
Grundpreis (Euro) | 373.104 |
Testwagenpreis (Euro) | ca. 491.068 |
Test / Fotos: NEU!
Kamera: Canon EOS 6D